Transidentities III

By Moritz Pankok for Alfred Ullrich

Alfred Ullrich

ALFRED ULLRICH

09. September - 04. November 2011

PRESSEMITTEILUNG

Eröffnung
ALFRED ULLRICH . TRANSIDENTITIES III
Neue Galerie für zeitgenössische Kunst der Sinti und Roma

Die Galerie Kai Dikhas zeigt vom 9. September bis 4. November 2011 die Ausstellung Transidentities III des deutschen Künstlers und Sinto Alfred Ullrich. Die Eröffnung findet am Donnerstag, dem 8. September 2011, von 18 bis 21 Uhr, im neuen Aufbau Haus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg statt.

Alfred Ullrichs Kunst scheint sich auf den ersten Blick nicht mit seiner Herkunft zu beschäftigen. Gekonnt setzte der Künstler die Mittel des Druckhandwerks auf experimentelle Weise ein. Es entstehen zarte, zumeist abstrakte Bilder, in denen das Verfahren des Drucks aufgezeigt wird. Betrachtet man die Arbeiten genauer, wird schnell Ullrichs Spielfreude deutlich und immer wieder sind Widersprüche zu sehen. Denn die Strukturen geben eine vielfältige Oberfläche dar, in der Formen und Farben widerstreitende Wechselspiele eingehen. Bei den gedruckten Formen handelt es sich um Spuren physischer Zerstörung der Druckplatten, sei es durch Ätzungen oder Walzungen der Platten selbst oder etwa durch Abdrücke von in performativen Aktionen zerstörten Bierdosen. Ullrichs Arbeit lebt im Spannungsfeld zwischen dem Schönen und dem Groben, zwischen Anmut und Provokation.
Die Zugehörigkeit zu einer Minderheit hat Alfred Ullrich zu einem wachen Beobachter seiner Umwelt werden lassen, der versteckte Klischees und Stereotypen im Alltag aufdeckt. Der Künstler hinterfragt subtil und humorvoll althergebrachte Sicht- und Verhaltensweisen. Wie sehr prägt uns die Vergangenheit? Wie kurzlebig ist kollektive Erinnerung? Vor allem in Sprache und Bildern findet Alfred Ullrich oft eine unbedachte Diskriminierung des Exotisch-Fremden. So weist er immer wieder auf blinde Flecken der so genannten offenen Gesellschaft hin. Die persönliche und die leidvolle Vergangenheit der Sinti und Roma ist Teil seiner Lebenserfahrung und somit auch in seinem Werk stets präsent.
Besonders die in der Galerie gezeigte Videoinstallation Crazy Waterwheel (2010/11) zeigt den Künstler als einen Aktivisten, der sich mit den scheinbar schwachen Mitteln der Kunst gegen die stete Ausgrenzung der Roma-Minderheit zu wehren sucht. In einer langen lokalen Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister erwirkte Ullrich die Abschaffung eines Schildes mit der Aufschrift Landfahrerplatz. Unter diesem bereits von den Nazis geprägten Begriff wurde den Fahrenden an einem abgelegenen Ort zwischen Autostraßen ihr Platz in der Gemeinde Dachau zugewiesen. Das Schild ist Bestandteil zweier in der Galerie Kai Dikhas präsentierter Installationen und ist neben weiteren Arbeiten von Alfred Ullrich im Rahmen des diesjährigen Roma Pavillons Call The Witness auf der 54. Biennale in Venedig zu sehen. Aus Venedig brachte Ullrich ein weiteres Schild nach Berlin, das er vor einem Louis-Vuitton-Geschäft gefunden hat: Don’t Pay The Gypsies.
Gezeigt wird zudem das Werk ohne Titel bestehend aus zerkleinerten Bierdeckeln der Gasthäuser seiner Dachauer Heimat, aus denen der Künstler runde, gelblich weiße Reliefs schöpft. Figurative Buchillustrationen zu Matéo Maximoffs „Die Ursitory“ zeigen im Rahmen der Ausstellung wiederum eine ganz andere Seite seines Schaffens.
Alfred Ullrich, geboren 1948 in Schwabmünchen, Bayern, verbrachte seine Kindheit und Schulzeit in Wien. Von 1965 bis 1968 war er freier Mitarbeiter im Klub Subkultur Wien. Bis 1973 arbeitete er in der Kunstgießerei Franz Falch in Ottersberg, danach bis 1978 als Bühnenarbeiter an freien und öffentlichen Bühnen in München. Zwischen 1978 und 1981 war er freier Mitarbeiter in der Münchener Werkstatt für manuelle Druckverfahren. Seit 1980 hat Alfred Ullrich als freier Künstler ein eigenes Atelier in Biberbach und ist Mitglied in der Künstlervereinigung Dachau sowie im BBK München und Oberbayern. Er hatte national und international zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen – unter anderem im Kunstsalon im Haus der Kunst, München, im Muzeum Romské Kultury, Brno und im zentrum edition exil, Wien. Seine Arbeiten waren 2008 auf dem Khamoro-Festival in Prag und 2010 auf der Romale! 10 in Graz vertreten. Dieses Jahr nimmt er am zweiten Roma Pavillon der 54. Biennale in Venedig teil. Seine Werke wurden für öffentliche und private Sammlungen wie der Allianz München, Bayern Versicherung und Siemens/Nixdorf angekauft. Alfred Ullrich lebt und arbeitet in Röhrmoos.
Kai Dikhas bedeutet auf Romanes „Ort des Sehens“. Jenseits aller exotisch- romantischen Klischees und Stereotypen erhalten hier ab Frühjahr 2011 Roma- Künstler einen professionellen Ort zur Präsentation ihrer Kunst. Dieser neu in Berlin gegründete künstlerische Freiraum ist die erste permanente Galerie, die sich der oft unbekannten Kunst der Sinti und Roma in ständig wechselnden Ausstellungen widmet und sie in all ihren Facetten auslotet. Mit den Werken der international renommierten Malerin LitaCabellut eröffnete die Galerie Kai Dikhas im April 2011 ihr Ausstellungsprogramm in Berlin. In ihrer dritten Ausstellung freut sich die Galerie Werke des deutschen Sinto Alfred Ullrich präsentieren zu können.
Die Galerie Kai Dikhas greift auf ein weites Netzwerk europäischer Roma- Intellektueller und Künstler zurück, die neue Entwicklungen künstlerischer und politischer Natur vermitteln und auch kritisch begleiten. So schärft dieser lebendige Ort das Bewusstsein für die vielfältigen Beiträge, die die Sinti und Roma für die europäische Kulturgeschichte über die Jahrhunderte geleistet haben und stellt sie als Akteure und wichtige Impulsgeber unserer Gegenwart vor. Erweitert und ergänzt wird das Konzept durch das Berliner Independent Label Asphalt Tango Records, das sich erfolgreich auf die Veröffentlichung von Roma- Musik spezialisiert.

Künstlerischer Leiter der Galerie Kai Dikhas ist Moritz Pankok.